Ödön von Horváth, „Jugend ohne Gott“
eine Rezension von Jessica Serges aus der Klasse BWF O2 zu Roman und Film
Jugend ohne Gott ist ein deutsches Filmdrama von Alain Gsponer, das auf dem Roman Jugend ohne Gott von Ödön von Horváth basiert und am 31. August 2017 in die deutschen Kinos kam.
Ehrlich, brutal und voller Hoffnung. Alles in allem ein schonungsloser Spiegel unserer Zeit, in den man hineinschauen sollte, vor allem Eltern und Lehrer. Der Roman, den wir zuerst im Deutschunterricht in der Oberstufe gelesen haben, handelt von einem Lehrer, der in der Nazi-Zeit, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, an der Unmoral seiner Schüler verzweifelt. Mir hat dieser Roman sehr gefallen, da man sich gut in die Rolle des Lehrers hineinversetzen konnte. Da der Erzähler keine vollständigen Namen für die Schüler und Orte verwendet hat, kann man die hier geschilderten Konflikte und Ereignisse auch auf andere Situationen, die vielleicht in einer anderen Form in dieser Welt existieren, beziehen. So ist es auch heute denkbar, dass Jugendliche einer bestimmten Ideologie hinterher rennen und dadurch Konflikte in einer Klassengemeinschaft entstehen können.
Der Roman ist einfach geschrieben und man erfährt einiges über das Denken und Handeln der Menschen in den Dreißiger- Jahren. Man kann die historische Situation anhand der Schilderungen einordnen ohne besondere Vorkenntnisse über diese Zeit zu haben.
Im Gegensatz zur Romanhandlung wird die Handlung im Film, Nach dem Roman haben wir uns den Film angesehen, in eine- vielleicht nahe Zukunft versetzt. Hier stehen die Schüler unter permanenten Leistungsdruck. Nur wer sich perfekt anpasst, hat eine Chance, voranzukommen.
Die besten Schüler einer Klasse aus dem Sektor der Reichen nehmen kurz vor dem Abschluss an einem sogenannten Education Camp in einem Zeltlager in den Bergen teil, bei dem die privilegierten Jugendlichen miteinander um die begehrten Plätze an der angesehenen Rowald-Universität konkurrieren. Nur wer bei den Tests, die physisch und psychisch fordernd sind, die meisten Punkte erreicht und außerdem noch Führungsqualitäten zeigt, hat eine Chance. Die ehrgeizige Nadesh sieht es daher als ihre Aufgabe an, herauszufinden, was mit Zach nicht stimmt. Der nimmt nur halbherzig an den Wettkämpfen teil und trifft sich, trotz strengen Verbots, heimlich mit einem Mädchen namens Ewa, das illegal in den Wäldern der Umgebung lebt. Auch der Klassenlehrer sorgt sich um Zach, dem durch die Psychologin Loreen der Ausschluss aus dem Camp droht.
Zach ist durch sein Anderssein ein Sympathieträger für die Zuschauer. Er entzieht sich den Wettbewerben, wo er nur kann und möchte am liebsten nur seine Ruhe haben. Doch alleine schon durch das Verfassen eines Tagebuchs, das ihm von seinem Psychologen gestattet wird, weil er unter dem Tod seines Vaters leidet, erregt er die Aufmerksamkeit der Camp-Leitung, die am liebsten jede Art von Privatsphäre unterbinden möchte: Schließlich könne man jede Art von Problemen mit Medikamenten lösen, wie die Lagerpsychologin Loreen betont. Zach flüchtet sich in eine Liebe mit einer Illegalen und entfernt in einer blutigen Operation den in seine Hand eingepflanzten Ortungschip. Als er sich für einen benachteiligten Klassenkameraden einsetzt und ihm über die Sektorengrenze in den Sektor der Armen folgt, findet er ihn in einem chaotischen lärmenden Schüler überfüllten Klassenraum. Der Lehrer übermittelt die Lerninhalte mit einem Lautsprecher. Dies gehört zu den Höhepunkten des Films. Dort zeigt sich zugleich aber auch, dass vieles nur oberflächlich behandelt wird, weil wir kurze Zeit später den Sektor der Armen verlassen.
Der klar betonte Gegensatz zwischen Arm und Reich wird akzentuiert herausgestellt: Auf der einen Seite existiert ein extrem reicher Sektor, der leicht futuristisch und steril angehaucht ist und einer ständigen Überwachung unterliegt und auf der anderen Seite der Sektor der Armen mit einer völlig chaotischer Umgebung, überfüllten Klassenräumen und überforderten Bildungspersonen. Letzterer wird besonders hervorgehoben durch den Klassenkameraden von Zach, der zwar clever, aber physisch nicht dazu in der Lage ist, seine Leistungen auf einem hohen Stand zu halten und deswegen sehr tief fällt.
Am Ende des Films werden der Lehrer und Titus in dem Vordergrund gerückt. Titus, der sich zuerst im Hintergrund befindet, fällt im Verlauf des Films dadurch auf, dass er sich gegenüber den anderen Teilnehmern sehr hinterhältig verhält. Er stellt Fallen, damit die anderen Teilnehmer versagen und er die Punkte sammeln kann. Er ist auch derjenige, der den Mord an Nadesh verübt hat, obwohl er es so geschickt tarnt, dass Ewa, die Illegale, als Mörderin vor Gericht gestellt wird. Der Lehrer, der heimlich das Tagebuch von Zach weggenommen und gelesen und dadurch vieles zwischen den Camp-Teilnehmern ins Rollen gebracht hat, gibt dies erst vor Gericht zu. Er verliert dadurch seinen Job und fällt ganz tief, nämlich in den Sektor der Armen. Allerdings überführt er den Mörder Titus, der um den Kampf an die Rowald- Universität als der beste Punktsammler geehrt wurde.
Mir hat die Rolle des Lehrers gut gefallen, weil dieser versucht, unbewusst zu vermitteln, dass die Menschen mehr an die Allgemeinheit denken sollen und nicht nur an die Leistungen eines Einzelnen. Deswegen fühlt dieser sich auch von Anfang an mit Zach, der anders agiert, verbunden. Vermutlich nimmt er deswegen auch Zachs Tagebuch an sich, obwohl Zach ihn aufgrund seiner Rolle, die er in diesem Camp einnimmt, zu verachten scheint. Erst als sich der Lehrer vor Gericht dazu bekennt, dass er es war, der das Tagebuch von Zach weggenommen hat, scheinen die Beiden sich auszusöhnen.
Fazit: Alain Gsponer macht aus dem Romanklassiker „Jugend ohne Gott“ eine etwas unterkühlte und ein wenig umständlich erzählte Geschichte in einer herz- und seelenlosen Leistungsgesellschaft.